Exerzitiengruppe St. Gallen
Radbild

Radbild

Das Radbild von Bruder Klaus

 

Niklaus von Flüe (1417 – 1487) war ein Laie, der weder lesen noch schreiben konnte. Dennoch hat er uns zwei Schätze hinterlassen, die in ihrer unübertrefflichen Einfachheit bis heu­te vielen Menschen wichtige Weg- und Seelenbegleiter sind. Es sind dies das Gebet „Mein Herr und mein Gott“, das «Gebet zur Gelassenheit» (Pirmin Meier), und das Radbild.

Beide wurden seit ihrer ersten Erwähnung mit dem Einsiedler im Ranft in Verbindung gebracht, so dass wir ihn als deren Schöpfer betrachten dürfen.

«Wenn es Dich nicht verdriesst», sprach er um 1485 zu einem unbekannten Pilger, «so will ich Dich mein Buch sehen lassen, in dem ich lerne und suche die Kunst dieser Lehre [der Schöpfung Gottes]. Er zeigte ihm dieses Radbild und erklärte ihm dessen Bedeutung: «So ist das göttliche Wesen.»

Der Mittelpunkt ist die ungeteilte Gottheit, drei Strahlen [Personen] gehen von der einigen Gottheit aus und führen wieder dahin zurück. «Und wie sie von der göttlichen Gewalt [Allmacht] ausgehen, so führen sie wieder hinein und sind unteilbar in ewiger Macht.»

Mehr noch. Im selben Gespräch betonte Niklaus von Flüe in Bezug auf die geweihte Hostie, dass Gott und seine unendliche Liebe selbst im kleinsten Partikel so vollkommen wie im ganzen Universum sei. Dieser Bauer vom Flüeli, der dort vor 600 Jahren auf die Welt kam, setzt damit dem mechanischen Weltbild und dem strafenden, zürnenden Gott ein dynamisches Weltbild des liebenden Gottes entgegen, das uns bis heute im Innersten berührt

 (Text: Roland Gröbli, Bruder-Klausen-Biograf (2016)

Das «gewohnlich Gebeth» von Bruder Klaus

Bild: Ältester schriftlicher Beleg von «Bruder Clausens gewohnlichem Gebeth» (Berlin, um 1500)

O myn got und myn herre
Nym mich mir und gyb mich ganz zu eygen dyr.O myn got und myn herre
Nym von myr alles das mich hyndert gegen dyr.O myn got und myn herre
Gyb myr alles was mich furdert zu dir. Amen.“[1]

Ältester schriftlicher Beleg von «Bruder Clausens gewohnlichem Gebeth» (Berlin, um 1500)

 

Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.

Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir.

Mein Herr und mein Gott, o nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

 

[1] Roland Gröbli:   Die Sehnsucht nach dem “einig Wesen”, Leben und Lehre des Bruder Klaus von Flüe, Rex Verlag Luzern 2006 (= „einig Wesen“) S. 10